Wien (pts025/07.05.2018/12:50) – Die im Österreichischen Verband für Gefäßmedizin (ÖVG) zusammengeschlossenen Gefäßgesellschaften ÖGIR (Österreichische Gesellschaft für Interventionelle Radiologie), ÖGG (Österreichische Gesellschaft für Gefäßchirurgie) und ÖGIA (Österreichische Gesellschaft für Internistische Angiologie) fordern im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz die Einführung eines nationalen österreichischen Screening Programmes für das Aortenaneurysma endlich auch in Österreich.
Bis zu fünf Prozent aller Männer über 65 Jahre sind von einem Aneurysma (Gefäßerweiterung) der Hauptschlagader im Bauchbereich betroffen. Dieses wächst meist ohne Symptome und kann bei einem Einreißen zu einer lebensgefährlichen Blutung mit äußerst hoher Mortalität (80 Prozent) führen. Bei rechtzeitiger Diagnose kann es ab einer Größe von 5,5 cm je nach Begleiterkrankungen und Ausdehnung vorbeugend chirurgisch oder endovaskulär ausgeschaltet werden.
Neue Studien bestätigen Effektivität des Gefäßscreenings zur Senkung der Gesamtsterblichkeit
Neue Studiendaten mit großen Patientenkollektiven belegen erstmals, dass der reichliche Konsum von Obst und Gemüse und der Verzicht auf größere Mengen von Alkohol das Risiko eines Aortenaneurysma um bis zu 40 Prozent reduzieren kann. Nach Schweden und Großbritannien hat mit Januar 2018 auch Deutschland ein flächendeckendes, von den Krankenkassen getragenes Screening Programm eingeführt. Aktuelle Daten aus England zur Früherkennung des Aortenaneurysmas zeigen, dass zwar die Häufigkeit bei Männern über 65 Jahre in den letzten Jahren von 5 Prozent auf 1,3 Prozent abgenommen hat, gleichzeitig aber die Wachstumsgeschwindigkeit der Gefäßerweiterungen mit bis zu 0,8 cm pro Jahr in diesem Zeitraum konstant geblieben ist. Leider gibt es derzeit in Österreich noch immer kein Früherkennungsprogramm für das Aortenaneurysma und andere Gefäßerkrankungen, obwohl auch bei uns dadurch jährlich einige Hundert vorzeitige Todesfälle verhindert werden könnten.
Neue Studien zeigen Einfluss von Ernährungsfaktoren auf das Aortenaneurysma
In der vor wenigen Wochen veröffentlichten Malmö Diet and Cancer Study haben schwedische Wissenschaftler den Einfluss von Ernährungsfaktoren auf die Entstehung eines Aneurysmas der Hauptschlagader systematisch untersucht. In dieser an einer Kohorte von 26.000 Personen über 20 Jahre durchgeführten Beobachtung wurde gezeigt, dass die Aufnahme von mehr als 400 g Gemüse und Obst pro Tag das Risiko des Auftretens eines Aortenaneurysma um bis zu 40 Prozent reduzieren kann. In Gegensatz dazu hatten andere Komponenten der Diät (Fettgehalt, Ballaststoffe, Zucker, Fisch) keinen Einfluss.
Über den Einfluss des Alkoholkonsums auf kardiovaskuläre Endpunkte wurde vor drei Wochen in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift Lancet berichtet. Diese umfangreichen Analyse von über 80 Studien an fast 600.000 Probanden, an der auch österreichische Forscher beteiligt waren, hat zum Teil überraschende Resultate erbracht und könnte zu einer Neubewertung der derzeit als unbedenklich angesehenen Alkoholmengen führen. So konnte in dieser Studie gezeigt werden, dass der Konsum von größeren Mengen Alkohol mit einem erhöhten Risiko verbunden ist, an einem Aortenaneurysma zu sterben (jeweils 15 Prozent Risikoerhöhung pro 100 g Alkohol pro Woche). Während bekanntermaßen das Risiko für einen Herzinfarkt mit steigendem Alkoholkonsum abnimmt, steigt das Risiko für einen Schlaganfall und andere kardiovaskuläre Ereignisse sowie die Gesamtmortalität deutlich an. Insgesamt scheinen bei einer zugeführten Alkoholmenge von 100 g pro Woche am wenigsten kardiovaskuläre Ereignisse aufzutreten, was einem Bier pro Tag und damit der Hälfte der bisher empfohlenen Obergrenze entspricht.
Neue Daten zum vaskulären Tripel Screening für Aortenaneurysma, periphere arterielle Verschlusskrankheit und Hypertonie
Vor kurzem wurden weitere Einzelheiten sowie eine Kostenanalyse des vor einem halben Jahr erstmals vorgestellten Viborg Vascular Trial (VIVA) publiziert. Diese in Dänemark an 50.000 Männern zwischen 65 und 74 Jahren durchgeführte Studie hatte durch eine kombiniertes Gefäßscreening mit Ultraschall und Knöchel-Arm Index Bestimmung einen signifikanten Effekt auf die Gesamtmortalität (7 Prozent Reduktion, entsprechend einer number needed to invite von 169) nachgewiesen. Wie jetzt berichtet, war für diesen Effekt neben der Ausschaltung von Aortenaneurysmata vor allem die Einleitung einer antithrombotischen und lipidsenkenden medikamentösen Therapie verantwortlich. Eindrucksvoll sind auch die gesundheits-ökonomischen Daten des VIVA Trials. Bei Kosten von 32,- Euro pro eingeladenem Teilnehmer und Therapiekosten in der Screeningruppe von 148,- Euro pro Patient errechnen sich insgesamt Kosten von 2.148,- Euro pro quality-adjusted life year (QALI), womit die Effektivität und Wirtschaftlichkeit dieses Konzepts bereits laufende Screening Programme deutlich übertrifft.
Nationales österreichisches Screening Programm für vaskuläre Erkrankungen
Die ÖGIR, ÖGG und ÖGIA fordern gemeinsam ein nationales österreichisches Screening Programm für vaskuläre Erkrankungen. Die Früherkennung des Aortenaneurysma im Bauchbereich ist denkbar einfach und kann mittels Ultraschalluntersuchung rasch und ohne Belastung der Probanden durchgeführt werden.
Die österreichischen Gefäßgesellschaften schlagen ein einmaliges Screening für das Aortenaneurysma bei allen Männern ab dem 65. Lebensjahr vor, wie es bereits 2014 in den Leitlinien der Europäischen kardiologischen Gesellschaft mit einer 1A Empfehlung (höchster Empfehlung- und Evidenzgrad) vorgeschlagen und seit Beginn des Jahres in Deutschland eingeführt wurde.
Ideal wäre eine Kombination mit einer Blutdruckmessung an allen vier Extremitäten (Knöchel-Arm Index), wie in der oben angeführten dänischen VIVA Studie beschrieben. Dieses vaskuläre Tripelscreening könnte sowohl die kardiovaskuläre als auch die Gesamtsterblichkeit reduzieren und ist nach den vorliegenden Daten auch kosteneffizient.
„Wir könnten heute den plötzlichen Tod durch ein Bauchaortenaneurysma oft verhindern, – wenn wir nur alle gemeinsam wollten“, appelliert Gefäßmediziner Univ. Prof. Dr. Gerit Schernthaner von der Universitätsklinik Wien an die Entscheidungsträger.
Auch Univ. Prof. Dr. Maria Schoder, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für interventionelle Radiologie & minimal-invasive Therapie, betont, dass es vor allem einer „rechtzeitigen Diagnose des Bauchaortenaneurysmas“ bedarf, damit „die Rupturgefahr durch eine gering invasive endovaskuläre Stentgraft-Therapie gebannt werden kann“.
„Wie rezente Forschungsdaten belegen, zählt das Screening für das Aortenaneurysma und andere atherosklerotische Gefäßerkrankungen zu den effektivsten und kosteneffizientesten primärpräventiven Maßnahmen“, fasst Univ. Prof. Dr. Peter Marschang, Präsident der ÖGIA, zusammen.
Die Österreichische Gesellschaft für Internistische Angiologie (ÖGIA) ist eine wissenschaftliche Gesellschaft zur Förderung der Forschung und Weiterbildung auf dem Gebiet der Gefäßmedizin. Ihre Hauptaufgaben sind die Verbreitung von neuen Erkenntnissen auf dem Gebiet der Gefäßmedizin, der Erfahrungsaustausch innerhalb der Gefäßspezialisten und mit Spezialisten aus anderen medizinischen Spezialgebieten, die Unterstützung von Forschung und wissenschaftlichen Projekten sowie die Erarbeitung von standardisierten Vorgangsweisen bei Gefäßerkrankungen. Zur Erreichung ihrer Ziele organisiert die ÖGIA regelmäßig Symposien und Fortbildungsveranstaltungen, hält in Kooperation mit dem Österreichischen Verband für Gefäßmedizin (ÖVG) sowie der European Society of Vascular Medicne (ESVM) gemeinsame Tagungen ab und betreibt eine aktive Öffentlichkeitsarbeit. Weitere Informationen unter: http://gefaesse.at
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