Wien (pts016/21.12.2017/14:15) – pro mente Austria, der österreichischer Dachverband von psychosozial und sozialpsychiatrischen Vereinen und Gesellschaften, legt mit diesem Forderungskatalog Empfehlungen vor, die als Basis für eine Weiterentwicklung und einen zukunftsorientierten Ausbau in der psychosozialen Versorgung dienen sollen.
Um zukünftig den erhöhten Bedarf an notwenigen Maßnahmen auch abdecken zu können, werden in vielen nationalen und internationalen Papieren Empfehlungen abgegeben. Der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG) zum Beispiel skizziert einen notwendigen Weg: Die Versorgung soll sich von der stationären Versorgung noch weiter in den ambulanten, gemeindenahen Bereich verlagern und nachgehender, multiprofessioneller und individualisierter werden.
Um diesen Vorgaben und Zukunftsszenarien Rechnung tragen zu können, bedarf es neben der kontinuierlichen Weiterentwicklung des bestehenden Versorgungssystems weiterer Schwerpunktsetzungen in einigen Bereichen, um die Lebensqualität der betroffenen Menschen zu verbessern, die Gesellschaft vor Fehlentwicklungen zu bewahren, und sie damit zu entlasten. Es ist wichtig, dass diese Ideen von Vertreterinnen und Vertretern aller Parteien getragen werden und Eingang in die zukünftige Politik finden.
1. Konkrete Schritte zum Ausbau der psychischen und sozialen Prävention * Bessere und konsequente Schulung im psychosozialen Bereich von Kindergarten-MitarbeiterInnen, LehrerInnen, HortbetreuerInnen, MitarbeiterInnen im Bereich der NPOs, etc. * Präventionsmaßnahmen bereits im Säuglingsalter, Abfragen und Erkennen von möglichen psychischen Gesundheitsrisiken im Rahmen von Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen * Einbindung von Präventions-relevanten Fragestellungen im Rahmen der Gesundenuntersuchung * Starker Fokus auf Suizidprävention * Nationaler Ausbau des Krisendienstes bzw. der Krisenhilfe * Sicherstellung einer raschen Erreichbarkeit eines Psychiaters bei psychosozialen Krisen innerhalb von 24 Stunden in Analogie zur Versorgung von Menschen mit organischen Störungen * Rasche, unbürokratische und unentgeltliche bzw. leistbare Stunden Psychotherapie für alle, die diese benötigen
2. Verstärkte Ausbildung in den Mangelberufen speziell bei PsychiaterInnen * Bedarfsgerechte und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung durch Kassenärzte für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin * Gezielte Maßnahmen in der Bildungs- und Gesundheitspolitik, um den Beruf des Psychiaters / der Psychiaterin für NachwuchsmedizinerInnen attraktiv zu machen
3. Zielgruppenspezifische Forderungen von Früherkennungsmaßnahmen
Bei Kindern und Jugendlichen * Flächendeckender Ausbau der Zahl der Kinder- und JugendpsychiaterInnen (derzeit gibt es nur 24 Fachärzte mit Kassenvertrag für Kinder- und Jugend-Psychiatrie in ganz Österreich) * Schaffung von flächendeckenden niedrigschwelligen Zugängen zu Beratung und Behandlung von Kindern, Jugendlichen und deren Eltern mit psychischen Problemen * Stärkere Unterstützungsmaßnahmen und Entwicklung von Unterstützungsmodellen für Kinder von psychisch kranken Eltern * Konsequente Früherkennung, Frühförderung, frühe Unterstützung und Behandlung um eventuellen Manifestationen psychischer Erkrankungen vorzubeugen * Flächendeckender Ausbau des Psychotherapiekontingents für Kinder und Jugendliche * Bessere Vernetzung von Anlaufstellen und Therapieeinrichtungen
Bei älteren Menschen * Konsequenter Einsatz sozialer und psychosozialer Dienste bei der Implementierung präventiver Maßnahmen und beim Ausbau von Versorgungs- und Betreuungssystemen für ältere Menschen * Unterstützung und Förderung von Modelleinrichtungen zur generationsüberschreitenden Betreuung und Begleitung von älteren Menschen außerhalb von Alters- und Pflegeheimen * Ausbaumodelle sollen kreative und angepasste Lösungen von der mobilen sozialpsychiatrischen Betreuung über abgestufte Wohnformen bis hin zur Vollbetreuung anbieten * Psychosoziale Fachbetreuung in Altersheimen für ältere Menschen, bei denen es primär um Pflege geht
Bei MigrantInnen * Rascher und unbürokratischer Zugang zum psychosozialen Versorgungssystem, zu Krisenintervention und bei Bedarf Abholung im häuslichen Bereich * Grundsätzliche, kulturspezifische Ausbildung und Training im multikulturellen Umgang für die MitarbeiterInnen in diesem Bereich * Zugang zu qualifizierten Dolmetscherleistungen in allen Bereichen der Versorgung
4. Gezielte Maßnahmen zur Arbeitsrehabilitation * Schaffung von gesundheitsfördernden Arbeitsbedingungen * Verstärkung rehabilitativer Maßnahmen, d.h. Rehabilitation muss auch arbeitsbegleitend über längere Zeit möglich sein * Umfassende abgestufte Unterstützung von Menschen mit psychischen Problemen bzw. Erkrankungen beim Heranführen an den Arbeitsmarkt * Menschen ohne Ausbildung (Verweisungsschutz) sollten besonders in Ausbildung und Rehabilitation gefördert und nicht von dieser ausgegrenzt werden * Arbeitsrehabilitation und medizinische Rehabilitation sollten bei entsprechender Indikation auch gleichzeitig möglich sein um einen verstärkten Effekt zu erzielen
5. Finanzierung aus einem Topf * Schaffung von ausreichend rechtlichen Grundlagen zur längerfristigen Absicherung von Planung und Finanzierung * Steuerung der Finanzierung und Umsetzung von sozialpsychiatrischen Gesundheits-und Versorgungsleistungen aus einer Hand
pro mente Austria ist der österreichische Dachverband für psychische und soziale Gesundheit. Ein Zusammenschluss von Institutionen, die im psychosozialen und sozialpsychiatrischen Bereich tätig sind. 25 Mitgliedsorganisationen in den Bundesländern leisten jedes Jahr mit ca. 3.250 MitarbeiterInnen Betreuungsarbeit für rund 80.0000 psychisch kranke Menschen und deren Angehörige. Ziel ist der Abbau von Stigmatisierung und die Integration und Inklusion von Menschen mit psychischen Problemen. Die Mitgliedsorganisationen bieten professionelle Leistungen in Bereichen wie Arbeit, Wohnen, Beratung, Krisenintervention, Freizeit, Suchthilfe, Ehrenamt, etc. Die Zielgruppen umfassen alle Altersgruppen.
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