ÖGKV präsentiert „Pflege-Führungskräfte-Barometer“ 2016

Wien (pts050/30.06.2016/16:35) – „Es ist mehr als irritierend, dass die Pflege als unverzichtbarer Teil der Gesundheitsversorgung im politischen Denken und Handeln immer noch ausgeblendet wird“, bilanziert Ursula Frohner, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes (ÖGKV) die Ergebnisse des „Pflege-Führungskräfte-Barometers“ 2016, die heute bei einer Pressekonferenz vorgestellt wurden.

Die Probleme sind Insidern seit langem bekannt. Durch die medizinischen Fortschritte werden Diagnostik und Therapie vieler Krankheiten immer komplexer. „Das ist grundsätzlich sehr positiv“, erklärt Frohner, „allerdings führt die steigende Zahl an Vor- und Nachuntersuchungen auf Seiten des Pflegemanagements zu ständiger Mehrbelastung“. Dazu kommt, dass Patientinnen und Patienten immer älter und multimorbider werden. „Dadurch stellen sich immer höhere Anforderungen an die Kompetenz der Pflegekräfte“, so Frohner. „Allerdings halten die Fortbildungsangebote damit keineswegs Schritt.“

All das muss zudem mit immer weniger Ressourcen bewältigt werden. Während die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er Jahre in Pension gehen, rücken immer weniger Berufseinsteiger nach. „Was uns noch mehr Sorgen bereitet“, kritisiert Frohner, „ist, dass viele Krankenhausbetreiber immer öfter noch nicht ausreichend qualifiziertes Personal anstellen. Statt Kolleginnen und Kollegen mit dreijähriger Ausbildung, stehen heute zunehmend weniger ausgebildete am Krankenbett. Da werden alle Rahmenbindungen ausgereizt und manchmal auch gebogen.“

Valider Befund über die gesamtösterreichische Pflegesituation

Weil solche Klagen seit Jahren ins Leere gehen, hat sich der ÖGKV entschlossen, einen validen Befund über die gesamtösterreichische Pflegesituation auf den Tisch zu legen. Dafür hat das auf Gesundheitsfragen spezialisierten Beratungsunternehmen health care communication insgesamt 1.577 Pflege-Führungskräfte in allen Bundesländern befragt. „Wenn beinahe 60 Prozent eine solche aufwändige Befragung abschließen, zeigt alleine das schon, wie hoch die Brisanz des Themas bei den Betroffenen ist“, erklärt der mit der Leitung der Umfrage beauftragte Arbeitspsychologe Mag. Alexander Engelmann.

Die Ergebnisse des „Pflege-Führungskräfte-Barometers 2016“ – der bisher größten Umfrage über die Situation des Pflegemanagements in österreichischen Krankenhäusern – sind selbst für Kenner der Materie überraschend und über weite Strecken besorgniserregend.

Vielfältige Belastungen

Das Überraschendste gleich vorweg: Es ist nicht die Führungsarbeit an sich oder die herausfordernde Arbeit am Krankenbett, die den Pflegekräften am meisten zusetzt. „Vielmehr“, erläutert Mag. Engelmann, „werden die Vielzahl an laufenden Veränderungsprojekten und die ökonomischen Rahmenbedingungen als stark belastend erlebt.“

Noch belastender in der Führungsarbeit werden der Personalstand und die abnehmende Qualifikation des Personals empfunden. So stufen etwa die Wiener Führungskräfte diese Themen auf der sechsteiligen Skala mit deutlich über 5 ein. Dieser Befund gilt mit leichten Abstrichen bundesländerunabhängig für ganz Österreich.

Ähnlich hohe Werte erreicht das Thema „Ethnische Bedürfnisse“. „Die Aufgabe, mit der zunehmenden Multikulturalität sowohl innerhalb der Belegschaft wie auch unter den Patientinnen und Patienten umzugehen, wird von den meisten als zentrale Herausforderung empfunden“, erläutert Mag. Engelmann. Vor allem weiblichen Führungskräften machen die multikulturellen Probleme zu schaffen.

„Es ist höchste Zeit, dass wir den Kolleginnen und Kollegen vor allem im ambulanten und im Erstversorgungsbereich Werkzeuge mitgeben, wie sie mit Patienten mit Migrationshintergrund, die oft sehr spezielle Vorstellungen und Erwartungen haben, zurecht kommen können“, fordert Frohner.

Konstruktive Ansätze – auf vorhandenen Potenzialen und Stärken aufbauen

„In der Untersuchung“, erklärt die Geschäftsführerin von health care communication, Mag. Dr. Annelies Fitzgerald, „ging es uns aber nicht alleine darum, die Belastungsfaktoren genau zu untersuchen. Wir wollten auch und vor allem vorhandene Potenziale und Stärken identifizieren, auf denen in Zukunft aufgebaut werden kann.“

Die Führungskräfte verfügen trotz aller Probleme über ausreichendes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Mit 5,26 erreicht die Frage nach der „Selbstwirksamkeitserwartung“ bei den älteren Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen absoluten Spitzenwert. Bei jüngeren liegt er mit 4,98 immer noch hoch.

„Wir halten das aus psychologischer Perspektive für eine der wesentlichen Ressourcen für zukünftige Veränderungen“, meint Mag. Engelmann. Ebenfalls positiv wird das Verhältnis innerhalb der Teams erlebt. Bei der Bewertung des Teamklimas vergeben die über 40-Jährigen 4,95 Punkte auf der sechsteiligen Skala – bei den jüngeren liegt der Wert immer noch bei 4,67.

Knapp 70 Prozent der Befragten erleben innerhalb der Gruppe keinerlei Spannungen aufgrund unterschiedlicher kultureller Hintergründe. Dagegen meinen nur 50 Prozent, dass es aufgrund unterschiedlicher Altersgruppen im Team selten bis gar keine Konflikte gäbe. „Das zeigt deutlich, dass es Generationenkonflikte gibt und dass man die demographische Entwicklung viel stärker und proaktiver in die Planung von Maßnahmen zur Unterstützung der Pflege-Führungskräfte mitberücksichtigen muss“, analysiert Mag. Engelmann.

Welche Unterstützung sich Pflegekräfte wünschen

Was sich die Betroffenen selbst an Unterstützung wünschen, wurde ebenfalls erhoben. Dabei rangieren Hilfe bei der Teamentwicklung, neue Instrumente im Umgang mit Konflikten sowie Methoden zur Stressbewältigung ganz oben auf der Wunschliste der Führungskräfte. Für Mag. Karl Schwaiger, Vizepräsident des ÖGKV und Vorsitzender der Vereinigung der PflegedirektorInnen Österreichs (ANDA), sind das Hoffnung machende Ansätze: „Die Ergebnisse des ‚Pflege-Führungskräfte-Barometers‘ sind für uns eine sehr gute Grundlage, nun gemeinsam neue Wege der Fort- und Weiterbildung zu entwickeln, damit die Herausforderungen im Pflegemanagement und in den Krankenanstalten gemeinsam gemeistert werden können.“

„Wie unsere Umfrage erfreulicherweise belegt, ist die Bereitschaft, Veränderungen mitzutragen, trotz des hohen Leidensdrucks groß“, bekräftigt Dr. Fitzgerald.

Neue Denkmustert

Eine ebenso große Bereitschaft fordert ÖGKV-Präsidentin Frohner auch von allen anderen Beteiligten: „Um eine wirklich prozessorientierte Versorgung auf höchstem Niveau sicherstellen zu können, braucht es neue Weichenstellungen und radikal andere Denkmuster.“ Neben der dringend notwendigen Vernetzung des Pflegemanagements mit anderen Sozialeinrichtungen, müsse die Abstimmung auch innerhalb der Krankenhäuser deutlich gestärkt werden: „Es kann nicht sein, dass OP-Kalender immer noch ohne Rücksicht auf die pflegerischen Erfordernisse erstellt werden. Ziel muss es sein, dass Strukturen und Abläufe im Klinikalltag künftig von Pflegekräften und medizinischem Personal gemeinsam gestaltet werden.“

Zusätzliche Aufgaben bedingen zusätzliche Personalressourcent

Zudem, fordert Vizepräsident Mag. Schwaiger, müsse endlich damit Schluss sein, die Personalprobleme unter den Medizinern, auf das Pflegepersonal abzuwälzen. Schon jetzt geben fast 80 Prozent der Befragten an, dass der Anschluss von Infusionen oder die Verabreichung intravenöser Injektionen „öfters“ oder „in hohem Maße“ erfolgt. Mag. Schwaiger: „Soweit weiter Aufgaben aus dem ärztlichen Bereich an die Pflegekräfte übertragen werden, wird dies ausschließlich nach dem Motto ‚Ressource folgt Leistung‘ möglich sein. Das bedeutet: Zusätzliche Aufgaben bedingen zusätzliche Personalressourcen.“

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