Wien (pts024/09.10.2018/14:45) – Anlässlich des Weltthrombosetages am 13. Oktober 2018 weist die Österreichische Gesellschaft für Internistische Angiologie (ÖGIA) in einer Pressekonferenz auf die oft unterschätzte Gefahr einer Lungenembolie – eine typische Komplikation einer Thrombose – hin und informiert über neue Behandlungsverfahren und Vorbeugungsmaßnahmen.
Die Lungenembolie stellt nach Herzinfarkt und Schlaganfall die dritthäufigste kardiovaskuläre Todesursache dar. Laut einer aktuellen Hochrechnung sterben pro Jahr in Österreich über 4.000 Personen, darunter nicht selten auch junge und zuvor gesunde Menschen, an dieser heimtückischen Krankheit. Das ist umso bedauerlicher, zumal die Diagnose einer Lungenembolie heute rasch gestellt werden kann und mit den modernen Gerinnungshemmern eine wirksame und sichere Therapie zur Verfügung steht.
Hohe Mortalitätsrate
Laut Statistik Austria werden pro Jahr in Österreich über 8.000 Patienten mit einer Lungenembolie als Hauptdiagnose von einem stationären Aufenthalt entlassen. „Doch werden viele Lungenembolien erst nach ihrem tödlichen Ausgang oder überhaupt nicht diagnostiziert“, beklagt Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Marschang, Präsident der ÖGIA. Für die erschreckend hohen Mortalitätszahlen, auch in Österreich, sprechen vorliegende Autopsie-Daten an nicht selektierten Patienten. „Demnach sind in unserem Land über 4.000 Todesfälle an einer Lungenembolie zu erwarten, welche nicht selten auch junge und zuvor gesunde Menschen betreffen“, stellt Marschang fest. Die Lungenembolie nimmt damit nach Herzinfarkt und Schlaganfall den dritten Platz in der Liste der kardiovaskulären Todesursachen ein.
45-prozentiger Anstieg der Fälle von Lungenembolien bei jungen Frauen
Wichtige Risikofaktoren stellen operative Eingriffe, Verletzungen, Immobilisierungen, Krebserkrankungen sowie weibliche Hormone (Östrogene) dar. Auch wenn eine Lungenembolie überlebt wird, ist in der Folge die Prognose nicht immer günstig. So sind ein Jahr später nur 57 Prozent der Patienten noch am Leben. Laut einer kürzlich publizierten europäischen Kohortenstudie müssen 20 Prozent innerhalb eines Jahres wieder stationär aufgenommen werden, 27 Prozent der Patienten nehmen innerhalb eines Jahres nach einer Lungenembolie nicht wieder ihre Arbeit auf. Besonders alarmierend sind neue, in Deutschland erhobene Daten. Demnach wurde zwischen 2005 und 2014 bei jungen Frauen ein 45-prozentiger Anstieg der Fälle von Lungenembolien beobachtet.
Symptome und Diagnostik
„Die Symptome einer Lungenembolie sind leider sehr unspezifisch“, klärt Univ.-Prof. Dr. Marianne Brodmann, Past-Präsidentin der European Society for Vascular Medicine (ESVM) auf. Sie reichen von Schmerzen im Brustkorb über eine plötzliche oder sich schleichend einstellende Luftnot bis hin zu verminderter Leistungsfähigkeit und plötzlicher Bewusstlosigkeit. Auch ein plötzlicher Herzstillstand im Schlaf kann eine Lungenembolie als Ursache haben.
Die Diagnostik ist daher eine Herausforderung. Aus diesem Grund wurden Scoring Systeme entwickelt, in die unterschiedliche patientenspezifische Fakten einfließen, die dann in eine Richtung verweisen: auf eine hohe oder niedrige Wahrscheinlichkeit für eine Lungenembolie. „Diese Tests sind gut validiert und damit sehr verlässlich“, betont Brodmann.
Eine bedeutende Rolle in der Abklärung ist der sogenannte D-Dimer-Wert. „Ist dieser negativ, kann mit nahezu 100-prozentiger Sicherheit ohne weitere Abklärung eine Lungenembolie ausgeschlossen werden“, erklärt Brodmann.
Goldstandard der Diagnostik ist das sogenannte PAE-CT, eine spezielle Angiographie der Lungenarterien mittels Computertomogramm. Aufgrund der österreichweiten Verbreitung von CTs in den Krankenhäusern ist somit eine breite Verfügbarkeit dieser Diagnostik geschaffen. Der Untersuchungsvorgang ist rasch, somit auch für Patienten mit schwerer Lungenembolie geeignet, und ermöglicht eine verlässliche Aussage über die Ausdehnung der Lungenembolie und die dadurch verursachte Belastung des rechten Herzens.
Akutbehandlung
„Die Akutbehandlung einer Lungenembolie hängt von der Rechtsherzbelastung und der Kreislaufsituation ab“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Rudolf Kirchmair, Vorstandsmitglied der ÖGIA. Im Schock ist eine Lyse – die medikamentöse Auflösung des Blutgerinnsels – indiziert, bei Rechtsherzbelastung ohne Schocksymptomatik sind eine gerinnungshemmende medikamentöse Therapie mit Heparin und eine Monitorisierung ausreichend. Bei fehlender Besserung oder Verschlechterung muss in diesen Fällen aber auch eine Lysetherapie diskutiert werden. Neuere Untersuchungen zeigen, dass eine lokale Lyse appliziert über einen Katheter in der Pulmonalarterie, unterstützt durch Ultraschall, mit einem Viertel der Medikamentendosis ausreichend wirksam ist und weniger schwere Blutungskomplikationen aufweist.
In den meisten Fällen werden heute bis auf wenige Ausnahmen, wie z.B. bei einer Niereninsuffizienz im Endstadium, die neuen oralen Gerinnungshemmer (NOAK) zur Behandlung der Lungenembolie eingesetzt. Der Vorteil dieser Medikamente ist, dass keine regelmäßigen Laborkontrollen notwendig sind und bei NOAK weniger schwere Nebenwirkungen wie tödliche Blutungen oder Hirnblutungen auftreten. NOAK werden auch bei Tumorpatienten zukünftig eine Alternative darstellen, eine Patientengruppe, die bisher mit täglichen Heparininjektionen unter die Haut eine sehr belastende Therapie benötigte. Bei Patienten mit Tumoren im Magen/Darm Bereich ist es jedoch durch NOAK zu vermehrten Blutungen in diesem Bereich gekommen, bei diesen Patienten sind diese Medikamente deshalb nur mit Vorsicht zu verwenden.
Prävention und Sekundärprophylaxe
„Bei der Primärprävention und bei der Sekundärprophylaxe nach einer Lungenembolie ist ein individuelles Abwägen des Thromboserisikos gegenüber dem Blutungsrisiko entscheidend“, erklärt Prof. Dr. Oliver Schlager, Vorstandsmitglied der ÖGIA. „Für eine längerfristige Antikoagulation sind neue orale Antikoagulanzien in niedriger Dosierung sehr effizient“, so Schlager weiter.
Eine entscheidende Maßnahme ist die frühe Patientenmobilisation. Je nach Blutungs- und Thromboserisiko stehen zudem mechanische Maßnahmen (Kompressionsstrümpfe oder intermittierende pneumatische Kompression) sowie pharmakologische Maßnahmen zur Verfügung.
Die Dauer einer Sekundärprophylaxe nach einer bereits aufgetretenen Lungenembolie oder Beinvenenthrombose wird von der individuellen Risikoabschätzung bestimmt. Liegt zum Beispiel ein vorübergehender Auslöser, wie etwa eine Operation, als Risikofaktor vor, so kann diese Therapie auch zeitlich begrenzt werden. Bei erhöhtem Rückfallrisiko und niedrigem Blutungsrisiko sollte eine längerfristige therapeutische Blutgerinnungshemmung angestrebt werden. „Die Entscheidung über die Dauer der Sekundärprophylaxe sollte jedenfalls individuell, unter Einbeziehung der Patientenpräferenz und in einem ausführlichen ärztlichen Beratungsgespräch getroffen werden“, betont Schlager.
Die Österreichische Gesellschaft für Internistische Angiologie (ÖGIA) ist eine wissenschaftliche Gesellschaft zur Förderung der Forschung und Weiterbildung auf dem Gebiet der Gefäßmedizin. Ihre Hauptaufgaben sind die Verbreitung von neuen Erkenntnissen auf dem Gebiet der Gefäßmedizin, der Erfahrungsaustausch innerhalb der Gefäßspezialisten und mit Spezialisten aus anderen medizinischen Spezialgebieten, die Unterstützung von Forschung und wissenschaftlichen Projekten sowie die Erarbeitung von standardisierten Vorgangsweisen bei Gefäßerkrankungen. Zur Erreichung ihrer Ziele organisiert die ÖGIA regelmäßig Symposien und Fortbildungsveranstaltungen, hält in Kooperation mit dem Österreichischen Verband für Gefäßmedizin (ÖVG) sowie der European Society of Vascular Medicne (ESVM) gemeinsame Tagungen ab und betreibt eine aktive Öffentlichkeitsarbeit. Weitere Informationen unter: http://www.gefaesse.at
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